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Die sieben Fohlen (Norwegen)

 

Es war einmal ein Paar ganz arme Leute, das wohnte in einer elenden Hütte draussen im Wald. Die beiden lebten nur so aus der Hand in den Mund und auch das nur mit Mühe und Not. Sie hatte aber drei Söhne und der jüngste von ihnen hiess Askeladden (Aschenhans), denn er tat nichts anderes, als in der Asche zu stochern.

Eines Tages sagte der älteste Sohn, er wolle fort und sich einen Dienst suchen, dagegen hatten die Eltern nichts einzuwenden, und so zog er fort. Er ging den ganzen Tag und am Abend kam er zu einem Königsschloss. Der König stand draussen auf der Treppe und fragte ihn, wo er hinwolle.

«Ich suche, wo ich dienen kann.»

«Willst du bei mir dienen und meine sieben Fohlen hüten? Wenn du sie einen ganzen Tag hüten kannst und mir am Abend sagen, was sie essen und was sie trinken, so sollst du die Prinzessin und das halbe Reich haben. Kannst du es aber nicht, so werden dir drei rote Riemen aus dem Rücken geschnitten.»

Der Bursche meinte, das sei eine leichte Arbeit, damit wolle er schon fertig werden.

Am Morgen, als es Tag wurde, liess der Stallmeister die sieben Fohlen los und die sprangen davon, über Berg und Tal, durch Rusch und durch Busch. Als der Bursche eine gute Weile hinter ihnen hergelaufen war, wurde er müde, und als er’s noch eine Zeit lang ausgehalten hat, da hatte er das Hüten völlig satt. Da kam er zu einer Bergschlucht, da sass ein altes Weib und spann, das rief ihm zu: «Komm her, mein lieber Sohn! Ich kraule dich zum Lohn!»

Das war dem Burschen recht, er legte seinen Kopf auf ihren Schoss und sie kraulte ihn den ganzen Tag. Als es Abend wurde, wollte er fort: «Es ist wohl am besten, ich gehe wieder heim zu meinen Eltern.»

«Warte nur, bis es dunkel geworden ist. Dann kommen die Fohlen hier wieder vorbei und du kannst mit ihnen zurücklaufen.»

Als nun die Fohlen ankamen, gab ihm die Alte eine Flasche mit Wasser und ein Büschel Moos; die sollte er dem König zeigen und sagen, das wäre das, was die sieben Füllen ässen und tränken.

«Hast du meine sieben Fohlen treu und gut gehütet?», fragte ihn der König, als er am Abend ankam.

«Ja, das habe ich!», sagte der Bursche.

«Kannst du mir dann sagen, was sie essen und was sie trinken?»

Da zeigte der Bursch ihm die Flasche mit Wasser und das Büschel Moos. Aber da wusste der König genug, wie er sie gehütet hatte, und befahl seinen Leuten, sie sollten ihm drei rote Riemen aus seinem Rücken schneiden und ihn fortjagen. Als er darauf zu Hause ankam, sagte er, einmal wäre er ausgegangen, um zu dienen, aber er das täte er gewiss nie mehr.

Den Tag darauf sagte der zweite Sohn, nun wolle auch er die sieben Fohlen hüten und die Eltern liessen ihn zuletzt reisen. Es erging ihm aber nicht besser als seinem Bruder, auch er liess sich von der Alten kraulen und so kam er auch mit roten Riemen auf dem Rücken wieder nach Hause.

Den dritten Tag wollte Askeladden sich aufmachen und wie sehr die Brüder ihn auch auslachten und die Eltern ihn bitten mochten, es half alles nichts, er wollte fort. Am Abend kam er zu dem alten König, der fragte ihn, wo er hinwolle.

«Ich gehe und suche, wo ich dienen kann.»

«Wo bist du her?», fragte ihn der König, denn er wollte sich erst etwas näher erkundigen, ehe er ihn in den Dienst nahm. Askeladden erzählte, dass er der Bruder von den beiden anderen sei, welche schon die Fohlen gehütet hätten. Da wurde der König zornig. «Bist du der Bruder von den beiden anderen, so taugst du auch nicht viel. Von eurer Sorte habe ich genug!»

«Wenn ich aber doch einmal hier bin, so könnt’ ich doch auch versuchen, die Fohlen zu hüten.»

«Wenn du durchaus deinen Rücken geschunden haben willst, dann meinetwegen!», sagte der König.

«Ich will schon lieber die Prinzessin haben», sagte Askeladden.

Am Morgen, als es Tag wurde, liess der Stallmeister die sieben Fohlen hinaus; die liefen fort über Berg und Tal, durch Rusch und durch Busch und Askeladden immer hinter ihnen her. So kam auch er zu der Bergschlucht; da sass wieder das alte Weib mit ihrer Spindel und rief ihm zu: «Komm her, mein lieber Sohn! Ich kraule dich zum Lohn!»

«Küss mich hinten!», sagte Askeladden und sprang fort.

Als sie die Bergschlucht hinter sich hatten, sagte das jüngste Fohlen zu ihm: «Setze dich auf meinen Rücken, wir haben noch einen weiten Weg vor uns!»

Sie ritten ein langes, langes Stück vorwärts. «Siehst du etwas?», fragte das Fohlen,

«Nein», sagte Askeladden.

Da ritt er wieder ein gutes Stück vorwärts,

«Siehst du nun etwas?»

«Ach nein», sagte der Junge.

Abermals nach einem langen Stück fragte das Fohlen und da sah Askeladden etwas Grosses, Weisses. In einem dicken Birkenbaumstumpf war ein kleines Zimmer und da hingen hinter der Tür ein altes rostiges Schwert und eine Flasche. Askeladden musste einen Trunk aus der Flasche tun, erst einmal, dann noch einmal, und dann noch einmal und dann konnt’ er das Schwert schwingen wie nichts.

 

 

«Jetzt musst du das Schwert mit dir nehmen und an deinem Hochzeitstage musst du uns allen sieben damit den Kopf abhauen. Dann werden wir wieder zu Prinzen, wie wir ehedem waren; denn wir sind die Brüder der Prinzessin, die du heiraten sollst. Dann musst du vorsichtig jeden Kopf beim Schwanz desjenigen Rumpfes hinlegen, auf dem er gesessen; alsdann hat der Zauber keine Macht mehr über uns.»

Askeladden versprach, alles genau zu befolgen, und dann ritten sie noch eine gute Weile.

«Siehst du nun etwas?», fragte das Fohlen.

«Ach nein», sagte Askeladden.

Und so ritten sie wieder viele Meilen, über Berge und Täler. «Aber nun, siehst du immer noch nichts?»

«Ja, ich sehe einen blauen Streifen weit weg.»

«Das ist ein Fluss und über den müssen wir hinüber.»

Es gab eine schöne, lange Brücke und am anderen Ufer ritten sie wieder eine lange, lange Zeit.

Da fragte das Fohlen wieder, ob er nichts sehen könne. Ja, diesmal sah er etwas Schwarzes weit weg, wie ein Kirchturm. «Ja, da müssen wir hinein», sagte das Fohlen. Als die Fohlen in den Kirchhof traten, wurden sie wieder zu Menschen und sahen nun aus, wie Königssöhne mit so prächtigen Kleidern, dass sie nur so leuchteten. In der Kirche stand ein Priester vor dem Altar und reichte ihnen Brot und Wein. Als er die Hände auf die Prinzen gelegt und sie gesegnet hatte, gingen sie wieder hinaus. Askeladden aber hatte zuvor eine Flasche Wein und ein Altarbrot zu sich genommen. Sowie die Prinzen den Kirchhof verlassen hatten, wurden sie wieder in Fohlen zurückverwandelt. Nun ging es denselben Weg zurück, den sie gekommen waren, nur viel schneller als zuvor. Es ging so schnell, dass Askeladden auch nicht hören konnte, was das alte Weib hinter ihm her schrie, doch so viel verstand er, dass sie ganz bitterböse war.

Es war beinahe dunkel geworden, als er am Schloss ankam, und der König stand auf der Treppe und wartete auf ihn. «Hast du meine sieben Fohlen treu und gut gehütet?» «Ich tat es, so gut ich es vermochte.» «So kannst du mir sagen, was sie essen und was sie trinken?»

 

Da zog Askeladden die Flasche mit Wein und das Altarbrot hervor: «Hier siehst du ihr Essen! Hier siehst du ihr Trinken!»

 

«Ja du hast sie treu und gut gehütet und nun sollst du die Prinzessin und das halbe Reich haben!»

 

Als sie bei der Hochzeit zu Tisch sassen, stand der Bräutigam auf und ging hinunter in den Stall. Und wie ihm die Fohlen geraten hatten, hieb er allen sieben den Kopf ab, jeden Kopf aber legte er sorgfältig bei dem Schwanz desjenigen Rumpfes hin, zu dem er gehörte. Da wurden alle Fohlen wieder in Prinzen verwandelt. Als er nun mit den sieben Prinzen in den Hochzeitssaal eintrat, war der König so erfreut, dass er ihn umarmte und küsste; und seine Braut hatte ihn noch viel lieber als zuvor.

 

«Das halbe Reich gehört jetzt dir», sagte der König, «und die andre Hälfte sollst du nach meinem Tode haben; denn meine Söhne können sich jetzt selbst Land und Reich erwerben, da sie wieder zu Prinzen geworden sind.»

 

So kann man sich wohl denken, dass Freude und Glück bei dieser Hochzeit herrschten.

 

Fassung Heidi christa Heim, nach: H. Bondy, Norwegische Volksmärchen, Berlin 1908


Ein spannendes Märchen aus dem Norden. Der Aschenhans, der eigentlich derjenige ist, der in der armseligen Hütte dafür sorgt, dass das so wichtige Feuer nicht ausgeht schafft es durch Beharrlichkeit und Fokus auf seine Aufgabe die sieben Prinzen zu erlösen und wird schlussendlich zum König. Eine wunderbare Metapher, auch für Kinder.

 

Diese Geschichte eignet sich sicher dazu:
- Pferde beobachten zu gehen, vielleicht darf man ja sogar mithelfen sie zu "hüten" oder sie reiten?

- Einer Aufgabe nachgehen ohne den Fokus zu verlieren und sich ablenken zu lassen. Wer schafft das länger?

- Ein Feuer mit Feuerstein zum Brennen zu bringen und draussen im Winter etwas zu bräteln.

 

 

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