Einmal, vor langer Zeit, lebte ein König, der war sehr reich. Was immer er wollte, und was immer auch sein Herz begehrte, er bekam es. So hatte er alles, einfach alles, was man sich nur denken und wünschen konnte. Man möchte sagen, er war der glücklichste König der Welt.
Eines Tages aber, da geschah etwas ganz Merkwürdiges. Der König verlor seinen Appetit und wollte einfach nichts essen. Dies geschah ganz unerwartet, und alle Minister und auch die Köche des Königs gerieten in grosse Aufregung. Aber der König hatte nun einmal die Lust am Essen verloren, obwohl er zuvor immer gerne und reichlich dem Essen zugesprochen hatte. Doch nun wollte er nichts mehr in seinen königlichen Mund stecken. Nichts, gar nichts mehr. Bald wurde er dünn und immer dünner, bis er am Ende ganz abgemagert war. Dabei wurde er mit jedem Tag missmutiger und war stets übelgelaunt.
Die Ärzte des Königs kamen, gaben ihm sogleich allerlei Heilkräuter und Pulver. Aber all dies half nicht die Bohne, der König blieb appetitlos. Nie mehr verlangte er nach Essen, absolut nichts wollte und mochte er zu sich nehmen. Nicht einmal das Beste vom Besten. Da wurden Ärzte aus aller Herren Länder an den Königshof gerufen, denn der König war unterdessen ein Bild des Jammers, nur noch Haut und Knochen. Doch all ihre Kunst vermochte nichts auszurichten, der Zustand des Königs verschlimmerte sich mit jedem Tag.
Eines Tages kam ein alter, weisshaariger Bauer in die Stadt. Dieser war zwar arm, doch kannte er sich mit dem Leben und den Heilkräften der Natur gut aus. Als er von dem Zustand des Königs erfuhr, ging er zum Palast und liess sich bei diesem melden.
Der König sass auf seinem prachtvollen, goldenen Thron und sah dem Alten missmutig entgegen.
«Mein König, bist du vielleicht müde und findest keine Ruhe?», fragte ihn der Bauer.
«Was redest du denn da», antwortete der König. «Den ganzen Tag sitze ich auf meinem Thron und rühre keinen Finger, wie soll ich denn da müde werden"
«Vielleicht machst du dir grosse Sorgen um das Wohlergehen deines Volkes?»
«Nichts da! Alle leben glücklich und zufrieden! Du siehst, ich lebe ohne jede Sorge. Mir brennt kein Nagel unter den Füssen, wie man sagt, für nichts und niemanden.»
«Dann bedroht vielleicht ein Feind dein Reich?», fragte der Alte.
«Ein Feind, dass ich nicht lache! Mit all meinen Nachbarn lebe ich im schönsten Frieden und Einvernehmen», antwortete der König.
«Vielleicht hast du irgendwo etwas gesehen und möchtest es gerne haben, und bekommst es nicht?»
«Ja wo denkst du denn hin! Weisst du denn nicht, dass ich der König bin, und alles was ich haben möchte auch sogleich bekomme
Der Alte dachte eine Weile nach, plötzlich aber erhellte sich seine Miene und er sagte: «Nun weiss ich, was dir fehlt, höre König, es ist nichts wirklich Ernstes. Das was schuld ist, ist das Brot, das du in deinem Palast zu essen bekommst. Könntest du das süsseste Brot der Welt essen, so würdest du bald geheilt sein.»
Als der König dies hörte, war er ganz erstaunt, bedankte sich herzlich bei dem Alten und entliess ihn. Danach befahl er seinen Palastbäckern, dass sie ihm das süsseste Brot der Welt backen sollten.
Die fingen auch sogleich an, mengten Teig, gaben Zucker oder Honig, Sirup oder Süssholz, oder was es sonst an süssen Zutaten gab, hinein und buken: das süsseste Brot der Welt.
Die Brote wurden süss und süsser, aber keines war imstand den verlorenen Appetit des Königs wieder herbeizubringen.
Am Ende wollte er überhaupt nichts mehr von diesen Broten essen, nicht den allerkleinsten Krümel brachte er davon herunter. Die einen schmeckten zu sehr nach Zucker, die anderen nach Honig, wieder andere nach Sirup, übersüss waren sie allesamt und schmeckten einfach scheusslich! Irgendwann wurde es dem König zuviel. Daher befahl er, man möge nach dem weisshaarigen Alten suchen, der ihm den Rat mit dem süssesten Brot der Welt gegeben hatte, und diesen vor ihn bringen.
Es dauerte eine ganze Weile, aber dann war der alte Mann gefunden und stand vor dem König.
«Alter, du hast mich mit deinem dummen Geschwätz vom süssesten Brot der Welt betrogen, rief der König aufgebracht. «Ich sollte dich dafür hängen lassen.»
«Aber warum denn, mein König?», fragte der Alte.
«Weil mir die süssen Brote, die du mir empfohlen hast, nichts geholfen haben, überhaupt nichts!»
«Und warum nicht?», fragte der Alte. «Mir scheint, deine Bäcker verstehen sich nicht darauf ein Brot zu backen, wie es zu deiner Genesung nötig ist.»
Der König wollte wieder ärgerlich werden, doch dann sah er wie der Bauer angestrengt nachdachte und endlich zu ihm sagte: «Hör zu, Herr König, wenn du wirklich wieder gesund werden und auch das süsseste Brot der Welt essen willst, dann musst du mit mir kommen. Drei Tage lang musst du aber alles ganz genau so machen, wie ich es dir sage. Du wirst sehen, danach bist du geheilt.»
«Nur drei Tage?», fragte der König erstaunt und misstrauisch.
«Ja, so ist es, bist du danach nicht geheilt, so darfst du mir den Kopf abschlagen lassen», entgegnete der Bauer.
Dem König, wollte er wieder gesund werden, blieb nichts anderes übrig, als mit dem Alten zu gehen. Lange mussten sie gehen, ganz weit vor die Stadt, bis sie endlich an ein grosses Kornfeld kamen. In dessen Mitte stand ein kleines einfaches Häuschen, dort hinein führte der Alte den König. «Herr König, ich denke es wird das Beste sein, ich gebe dir erst einmal ein paar alte Sachen zum Anziehen. Die feinen königlichen Kleider taugen schlecht zu dem, was vor dir steht».
Damit gab er dem König einige Kleidungsstücke, und danach schüttelte er einen Strohsack auf und sagte: «Hier leg dich darauf zur Ruhe, morgen müssen wir früh auf.»
Da legte der König seine Gewänder ab und zog die einfachen Kleider des Bauern an. Danach streckte er sich, wie ihm der Alte gesagt hatte, auf dem Strohlager aus. Müde durch die lange und ungewohnte Wanderung schlief er auch sogleich ein. Am anderen Morgen, in aller Frühe, weckte ihn der Alte und drückte ihm eine Sichel in die Hand und sagte: «Komm, wir müssen das Korn schneiden!»
Zum ersten Mal in seinem Leben, arbeitete der König in einem Kornfeld. Der Tag war heiss und die Sonne brannte, der König arbeitete und schwitzte und als es Abend war, hatte er vierzig Getreidebündel geschnitten.
Todmüde kehrten die beiden zum Häuschen zurück. Den ganzen Tag hatten sie nichts gegessen, überhaupt nichts! Nur das kühle Wasser der Zisterne hatten sie getrunken. Schwer wie ein Stein sank der König auf sein Lager und war auch sogleich eingeschlafen.
Am anderen Morgen weckte ihn der Alte vor Sonnenaufgang und sagte zu ihm: «Steh auf, Herr König, heute müssen wir die Getreidebündel zum Dreschplatz bringen?»
Der König schleppte die Getreidebündel auf den Dreschplatz, dort gab ihm der Bauer einen Flegel in die Hand und der König drosch den ganzen Tag das Korn, bis auch kein einziges Körnlein mehr in den Halmen war. Danach musste der König das Korn in Säcke füllen und dies Tag war es wie am vorangeganenen, viel Arbeit gab es, doch nichts zu trinken. Todmüde fiel der König auch an diesem Abend auf sein karges Lager und schlief ein.
Am dritten Tag weckte der alte Bauer den König abermals in aller Frühe und sagte: «Geschwind steh auf, heute muss das Korn hinauf zur Mühle gebracht werden, dort werden wir es mahlen.»
«Nimm du die Säcke auf deinen Rücken, denn ich bin alt und kann sie nicht mehr tragen.»
Was sollte der König da machen, hatte er doch versprochen allen Anweisungen des Alten zu folgen. Es blieb ihm also nichts anderes, als sich die Säcke auf den Rücken zu laden und sie nacheinander steilen Berg hinauf zu tragen. Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte er so etwas wie Hunger, sagte aber nichts.
Gemeinsam mahlten sie das Korn und wieder war es des Königs Rücken, der die vollen Mehlsäcke ins Tal trug.
«Komm», sagte der Alte, «nun wollen wir den Teig kneten.»
Damit nahm er den Backtrog, gab Mehl, Salz, Wasser und Hefe hinein und hiess den König tüchtig kneten. Der König knetete den Teig, dass ihm der Schweiss dabei von der Stirne rann. Als er endlich fertig war, schickte ihn der Bauer zum Holzsammeln, damit er den Backhofen heizen könne.
Als der König genügend Holz gesammelt und zerkleinert hatte, begann der Alte spätabends den Backofen einzuheizen und aus dem Teig vier grosse Brote zu formen.
Der König war unterdessen hungrig geworden. Ja, sein Magen knurrte so sehr, dass er seinen Hunger nicht mehr verbergen konnte. Mit grosser Ungeduld wartete er darauf, dass die Brote, die schon köstlich dufteten, aus dem Ofen kämen.
«Ach, was hab ich doch für einen Hunger!», rief er.
«Warte!», sagte der Alte. «Du wirst gleich etwas zu Essen bekommen.»
Und damit stellte er Oliven, Tomaten und Käse auf den Tisch.
Als die Brote endlich fertig gebacken waren, holte er sie aus dem Ofen. Der König wartete aber nicht, sondern nahm sich, hungrig wie ein Wolf, eines davon, riss ein Stück ab und begann das noch heisse Brot in sich hineinzustopfen.
Schon beim ersten Bissen wurde sein Gesicht ganz rosig und er rief glücklich: «Ja, es stimmt Alter! Das ist wirklich das süsseste Brot der Welt, obwohl, ich wir doch gar keinen Zucker hinein gegeben haben!»
Jetzt lachte auch der Alte: «Du musst wissen, dass die Süsse des Brotes dein eigener Schweiss ist, den du bei all der Arbeit vergossen hast. Nun aber bist du geheilt. Doch, Herr König, vergiss niemals, das süsseste Brot der Welt kann nur der essen, der hart dafür gearbeitet hat. So nimm nun deine königlichen Kleider und kehre in deinen Palast zurück; achte aber darauf, dass du von nun an immer arbeitest. Du wirst sehen, auf diese Weise wirst du auch immer Hunger haben.»
Da kehrte der König in seinen Palast zurück und schon am darauffolgenden Tag begann er in seinem grossen Palastgarten zu haken und zu graben und Rosen zu pflanzen. Von da an arbeitete er alle Tage in seinem Rosengarten. Am Abend aber sass er an seiner langen Tafel und ass das süsseste Brot der Welt und dachte mit grosser Dankbarkeit an den weisshaarigen Alten im Kornfeld.
Quelle: neu erzählt von Heidi Holzmann.
Was für eine besondere Geschichte. Perfekt für den Beginn eines neuen Jahres. Vielleicht regt es dich genauso zum Nachdenken an wie mich. Wo geht es mir ähnlich wie dem König? Was habe ich verlernt zu schätzen und wie schaffe ich es, die Dankbarkeit für alles in meinem Leben zurück zu gewinnen?
Dieses Märchen eignet sich sicher dazu:
- Brot zu backen
- darüber zu sprechen wofür man dankbar ist
- einen Plan für den eigenen (Rosen-) Garten zu machen
- Selbstgemachtes / Selbstgebasteltes zu verschenken